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Borgholzhausen, 18. Februar 2021 – Rien ne va plus. Nichts geht mehr – zumindest im Moment nicht. Beim Blick in die Produktion des Intralogistik-Spezialisten Westfalia Logistics Solutions Europe GmbH & Co. KG am Standort in der Industriestraße 11 in Borgholzhausen wird schnell klar, warum. Der coronabedingten Pandemie zum Trotz platzt die Fertigung des zur Hüllhorster Wortmann-Gruppe („Terra-Computer“) gehörenden Maschinen- und Anlagenbauers derzeit aus allen Nähten. Zum 1. Januar 2023 wird er daher vollständig aus der Industriestraße in das Interkommunale Industrie- und Gewerbegebiet Borgholzhausen/ Versmold (IBV) umsiedeln. Am Stammsitz in Borgholzhausen arbeiten derzeit ca. 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Fertigung auf derzeit 6000 m2

Bis die dort hochmoderne Fertigung auf 10.000 m2 Realität ist, heißt es, zu überbrücken und auf derzeit 6.000 m2 etliche große Projekte abzuwickeln. Dazu greift Werksleiter Christian Schlief auch zu einem ungewöhnlichen Mittel – er hat ein Loch in die Fassade der Produktionshalle geschnitten. „Nur so bekomme ich gerade parallel die vielen Aufträge, unter anderem von fast 40 m langen Regalbediengeräten, gefertigt“, so der Diplom-Ingenieur. In den vergangenen 5 Jahren erkennt das ostwestfälische Unternehmen einen eindeutigen Trend zu höheren Regalbediengeräten, die die Regalstellplätze anfahren und Hunderte von Paletten pro Stunde automatisch ein- und auslagern. „40 m sind nichts Ungewöhnliches, sondern gehören mittlerweile zum Standard“, ergänzt Christian Schlief.

Eines habe die Corona-Pandemie deutlich gemacht: Westfalia ist in einer Zukunftsbranche unterwegs. „Die Preise für Logistikdienstleistungen und Transport gehen gerade durch die Decke“, umreißt Andreas Gartemann, geschäftsführender Gesellschafter von Westfalia, die Marktlage. So ist von April bis November 2020 der Seefrachtpreis für 20-Fuß-Standard-Container laut Shanghai Containerized Freight Index (SCFI) um 127 Prozent gewachsen, der World Container Index (WCI) verzeichnet für 40-Fuß-Container eine Steigerung von bis zu 198 Prozent. „Zudem ist die Just-in-time-Verfügbarkeit von Produkten zurzeit nicht mehr selbstverständlich“, ergänzt Gartemann. So werden Lagerflächen zunehmend knapper und folglich teurer. Das spiele dem Borgholzhausener Unternehmen in die Karten, setze Westfalia doch auf besonders kompakte und damit effiziente Lagersysteme.

Planungssicherheit bis ins Jahr 2022

Wenig verwunderlich also, dass das Unternehmen aktuell auf gut gefüllte Auftragsbücher schauen kann, die es auslasten und Planungssicherheit bis weit ins Jahr 2022 schaffen. Herausfordernd dabei seien allerdings die teilweise ehrgeizig geplanten Terminwünsche der Kunden bzw. plötzlich eintretende terminliche Veränderungen. „Wir sind schließlich nicht allein auf der Baustelle und müssen oftmals auf bauseitige Terminverschiebungen flexibel reagieren. Es ist also mehr Pufferkapazität im Werk nötig, um mit solchen Änderungen im Projektgeschäft umgehen zu können“, so Werksleiter Christian Schlief. Noch ein Grund mehr, die Expansionspläne im von Unsicherheit geprägten Corona-Jahr 2020 eben nicht auf Eis zu legen, sondern diese sogar noch zu beschleunigen.

Nach dem Kauf von 7 ha im Jahr 2019 erwarben die Gesellschafter der Westfalia-Gruppe, Andreas Gartemann und Siegbert Wortmann, im vergangenen Jahr direkt an der A33-Auffahrt Richtung Osnabrück noch einmal knapp 2 ha für künftige Erweiterungsoptionen. 2010 war Siegbert Wortmann, Gründer und Vorstandsvorsitzender des IT-Unternehmens Wortmann AG aus Hüllhorst, mehrheitlich in die Westfalia-Gruppe eingestiegen und führte das Traditionsunternehmen gemeinsam mit Andreas Gartemann und Matthias Upmeyer anschließend zu alter wirtschaftlicher Stärke zurück.

Neuer Firmenstandort am Teuto 1

Zum 1. Januar 2023 wird der Intralogistik-Spezialist nun vollständig aus der Industriestraße in das Interkommunale Gewerbegebiet Borgholzhausen/ Versmold (IBV) umsiedeln. Ursprünglich waren zwei Bauabschnitte geplant, wobei zunächst nur die Fertigung an den neuen Standort Am Teuto 1 verlagert werden sollte. Diese Planung wurde unter anderem wegen der Pandemie nochmals grundlegend überdacht, so dass gleichzeitig auch ein neues Verwaltungs- und Bürogebäude im IBV errichtet wird.

„Corona hat uns allen gezeigt, wie sich die Arbeitswelt verändern wird. Mobiles Arbeiten oder das Home-Office werden zu einem gewissen Teil sicher bleiben. Wir nehmen bei unseren Mitarbeitern aber ganz stark auch den Wunsch nach dem persönlichen Kontakt wahr. Telefon, Messenger-Dienste oder Video-Telefonie sind eben doch kein vollständiger Ersatz“, führt Andreas Gartemann die Gründe für die Zusammenlegung der Bauabschnitte an. Außerdem zieht der passionierte Volleyballtrainer für das Westfalia-Team einen sportlichen Vergleich: „Unser Projektgeschäft gleicht einem Zehnkampf, der viele verschiedene Disziplinen miteinander vereint. Für die enge Verzahnung der Abteilungen und unserem Anspruch an das perfekte Logistikprojekt für unsere Kunden wäre eine räumliche Trennung schlichtweg nicht ideal gewesen.“

Energiesparender Gebäudekomplex

Büro und Verwaltung werden am neuen Standort von rund 3.000 auf 5000 m2 vergrößert, Produktion und Lager von rund 6.000 auf 10.000 m2.  Die Abläufe im Werk werden mit dem Neubau deutlich optimiert. Auch wird Westfalia zukünftig mit einem zweispurigen Teststand nicht nur die doppelte Testkapazität zur Verfügung stehen, sondern auch die wegen der Unplanbarkeit im Projektgeschäft notwendigen Pufferzonen für fertige Regalbediengeräte.

Der geplante Gebäudekomplex mit ca. 140 mal 66 Metern wird in energiesparender Bauweise errichtet. Geheizt wird mit einer umweltschonenden Luftwärmepumpe. Die Dächer des Gebäudes und der teilweise überdachten Parkplätze werden mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. „Unsere kompakten Hochregallager leisten seit eh und je einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. In Zukunft können wir auch an unserer neuen Wirkungsstätte zu einem reduzierten CO2-Fußabdruck beitragen“, so Gartemann.

Klebstoffsystem-Hersteller Bostik bezieht Westfalia-Grundstück

Mit dem Umzug des gesamten Unternehmens wird auch für den direkten Westfalia-Nachbarn, den Klebstoffsystem-Hersteller Bostik, der Weg frei, um am Hauptsitz seine Standorte zu bündeln: Bostik hat einen Teil (rd. 5.000 m2) des derzeitigen Westfalia-Areals von rund 21.000 m2 gekauft und wird den verbleibenden Teil und die bestehenden Gebäude (rd. 15.000 m2) langfristig mieten. Den entsprechenden Vertrag unterzeichneten die Geschäftsführungen Ende 2020.

So hat die Westfalia-Gruppe zu Beginn des Jahres gleich doppelten Grund zu feiern. „Neben dem bevorstehenden Baubeginn feiern wir am 18. Februar unser 50. Firmenjubiläum. Wir freuen uns, mit dem Neubau auch weiterhin ein klares Bekenntnis zum Standort Borgholzhausen abzugeben“, so Gartemann. „Dank der Wortmann-Gruppe und der Unterstützung der Städte Versmold und Borgholzhausen können wir in wirtschaftlich zentraler Lage weiter erfolgreich und kontinuierlich mit unseren derzeit knapp 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern europaweit wachsen. Wir sind mit einem Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Euro sehr stabil durch das für viele Unternehmen schwierige Wirtschaftsjahr 2020 gegangen.“

Zwar seien die Kunden, die vor allem aus der Nahrungsmittel-, Getränke-, Verpackungs- und Wellpappenindustrie kommen, im vergangenen Jahr mit Investitionen in Neuanlagen zunächst verständlicherweise zurückhaltend gewesen. „Wir haben aber zum Jahreswechsel noch mehrere große Aufträge gewinnen können. Auch unsere deutlich ausgebaute Dienstleistungssparte mit Service- und Modernisierungsgeschäft sowie der stark gewachsene Software- & IT-Bereich bringen uns in eine gute Ausgangslage für die nächsten 50 Jahre aktiver und partnerschaftlicher Kundenbetreuung.“

Plan für das IBV geht auf

Für die Bürgermeister von Versmold und Borgholzhausen ist es ein weiterer Meilenstein ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit beim Interkommunalen Industrie- und Gewerbebiet. Das IBV liegt dank der inzwischen fertiggestellten A33 verkehrsgünstig inmitten der wirtschaftsstarken Region, so dass in den letzten 20 Jahren zahlreiche Unternehmen auf den vom Zweckverband entwickelten rund 50 ha ansiedelten. „Mit dem letzten Filetstück von knapp 9 ha ist die Vermarktung und Bebauung nahezu abgeschlossen. Und wir erreichen auch mit Westfalia, was wir erhofft haben: Erfolgreiche expandierende Unternehmen aus der Region am Standort zu halten, und Arbeitsplätze sichern und schaffen zu können“, sagt Michael Meyer-Hermann, Bürgermeister von Versmold und Vorsitzender der Verbandsversammlung. „Es gab stets auch Kritik, dass so große Flächen versiegelt werden“, blickt der IBV-Verbandsvorsteher und Bürgermeister von Borgholzhausen, Dirk Speckmann, zurück. „Uns war daher auch wichtig, dass die Unternehmen möglichst platzsparend und nachhaltig bauen. So wird das Dach der neuen Halle des benachbarten Logistikers B&S mit einer 2,1-Megawatt-Photovoltaik-Anlage ausgestattet. Auch der Neubau von Westfalia mit seinen hohen energetischen Standards und seiner umfassenden Nutzung der Sonnenenergie durch Photovoltaik auf Dach und teilweise sogar Parkplatz begeistert mich.“