Spaichingen/ Borgholzhausen, 21. August 2023 – Wer die Nudel erfand, ist umstritten: Schon die alten Griechen und Römer kannten Nudelgerichte, Archäologen fanden in China einen 4.000 Jahre alten Topf mit Hirsenudeln. Auch Araber und Inder aßen schon früh Nudelgerichte. Die Nudel erfanden möglicherweise verschiedene Völker unabhängig. Klar ist dagegen, dass es (bisher) rund 600 Sorten weltweit gibt. Und dass die industrielle Nudelproduktion in Baden-Württemberg seinen Ursprung in Spaichingen hat.
Seit 1853 produziert die heutige Spaichinger Nudelmacher GmbH die beliebten Teigwaren: 70 Tonnen pro Tag, 22.000 Tonnen pro Jahr in inzwischen weit über 300 Ausformungen aus verschiedensten Rohstoffen. Ob nun Spaghetti oder Schwäbische Spätzle: Der Erfolg der Nudel ist ungebrochen. Die bisherige, mit Staplern bediente Lagerfläche von rund 4.000 m², ersetzte Intralogistik-Spezialist Westfalia Technologies im Jahr 2022 daher durch ein automatisches Lagersystem für 9.030 Paletten auf gerade einmal 1.800 m² Grundfläche. Bisher lagerten bis zu 4.500 Paletten in Bocklagern, die das Spaichinger-Team mit Gabelstaplern bediente. Nur Rohstoffe und spezielle Verpackungsmittel, die nicht ins Hochregallager (HRL) passen, werden noch im Bestand gelagert. Die aktuelle Lagerfläche wird perspektivisch komplett zur Produktionshalle umgebaut.
Lagerautomatisierung stärkt Werksverkauf und Versand
Neben dem eigenen Nudelsortiment für Endverbraucher und als B2B-Spezialist für Geschäftspartner, die innovative Nudelideen suchen und umsetzen wollen, forschen die Spaichinger Nudelmacher aktiv an neuen Nudelsorten. Seit 2012 Teil der ALB-GOLD-Gruppe, die zu Deutschlands größten Teigwaren-Herstellern gehört, ist das Schwäbische Unternehmen mit 110 Mitarbeitern einziger industrieller Hersteller glutenfreier Teigwaren in Deutschland und Spezialist für deren Entwicklung aus alternativen Rohstoffen.
Mit ihrem Erfolg bauen die Schwaben auch anderweitig Kapazitäten aus: Das neue Lagersystem vom Erfinder der mehrfachtiefen automatischen Lagerung Westfalia, das im Frühjahr 2023 in Betrieb ging, ist an den Werksverkauf sowie den Versand angebunden. Beide wurden im Zuge des Neubaus ebenfalls vergrößert. Das vollautomatische, ressourcenschonende Satellitenlager® in selbstragender Silobauweise ist für den Brandschutz inertisiert, d.h. sauerstoffreduziert. Es vermindert über luftdichte Schleusen den Sauerstoffaustausch und hält energetisch den Stand. Und es folgt der nachhaltigen Unternehmensmodernisierung: Bereits 2011 nahm die Spaichinger Nudelmacher GmbH ihre neuen, hochmodernen Produktionsanlagen mit Wärmerückgewinnung in Betrieb. Das Werk gehört damit zu den modernsten Nudelfabriken Europas – jetzt auch lagerseitig.
Nachhaltige Kapazität auf minimaler Fläche
Als Generalunternehmer hat der Intralogistik-Spezialist Westfalia zum künftigen Lagerlayout beraten, es Anfang 2021 konzipiert. Und es ab März 2022 mit eigenen Schlüsseltechnologien und aus eigener Fertigung umgesetzt. „Wir liefern als Generalunternehmer und Fertigungsunternehmen das Hochregallager, Regalbediengeräte sowie die Fördertechnik inklusive Steuerungsanlagen und inklusive unseres Warehouse Execution Systems Savanna.NET®. Auch Regalstahlbau und Gefällerollenbahnen waren Teil des Lieferumfangs“, sagt Frank Ratert, zuständiger Projektmanager bei Westfalia. Das Normaltemperaturlager wird bei 5 bis 20 °C betrieben.
Die kompakte mehrfachtiefe Lagerung im künftigen automatischen Hochregallager ermöglicht maximale Kapazität auf minimalem Raum sowie einen energiesparenden Durchsatz von ca. 80 Ladeeinheiten pro Stunde im Zwei- bis Dreischichtbetrieb. Das Lagersystem entstand auf einer benachbarten Bestandsfläche des Stammsitzes.
Begrenzt ist das Grundstück durch eine langgezogene Kurve, ähnelt einem Kuchenstück. Das neue, zweigassige Kompaktlager ist 73 Meter lang, 25 Meter und 27 Meter hoch. Das Westfalia-Projektteam passte es optimal in die zur Verfügung stehende Fläche ein: „Das Lager wurde dazu 4,60 Meter tief in die Erde gesetzt“ und kann ggf. später in Längsrichtung erweitert werden, so Projektmanager Ratert.
Wenige Regalbediengeräte bei maximaler Effizienz
Das neue automatisierte Hochregallager kommt mit gerade einmal 2 Gassen für je ein 25 Meter hohes Regalbediengerät (RBG) mit dem Lastaufnahmemittel (LAM) Hub-Satellit® samt Kettenförderer aus. Für den Betreiber bedeutet das durch weniger RBGs einen geringeren Wartungsaufwand und Energieverbrauch.
Dazu trägt auch die Software bei, die die Förder- und Lagertechnik optimal steuert. Mit dem Warehouse Execution System Savanna.NET® integriert Westfalia seine eigene Lösung, die alle Funktionen für die Lagerverwaltung und Materialflusssteuerung vereint. In einer einzigen Instanz, auf einer intuitiven Bedienoberfläche. Das vermeidet auch hier zusätzlichen Wartungsaufwand durch weniger Schnittstellen im Vergleich zu Einzelsoftwares für Warehouse Management und Warehouse Controlling. Modular ist das System auf jeden Komplexitätsgrad skalierbar und schafft vollständige Datentransparenz für eine optimale Lagerverwaltung. Angebunden ist es in diesem Fall an das ERP-System GUS.
Material- und palettenschonende Lagertechnologie
Die Satelliten®-Technologie ermöglicht besonders tiefe Lagerkanäle und eine hohe Lagerdichte. Das LAM löst sich vom Regalbediengerät, unterfährt Ladeeinheiten in den Lagerkanälen und lagert sie dort ein und aus. Die Paletten werden auf drei parallelen Profilen abgesetzt, um die Ladeeinheiten optimal zu unterstützen.
So biegen sich die Ladehilfsmittel nicht durch, werden weniger beansprucht, exakt gelagert und halten deutlich länger. Zusammen mit mehrfachen Konturenkontrollen sorgt das für ein stabiles System ohne Stillstände, die beispielsweise durch verklemmte Paletten verursacht werden könnten. Und es schafft größere Unabhängigkeit von gestiegenen Palettenpreisen.
Für unterschiedliche Ladungsträger und schwere Lasten
Die Hub-Satelliten® sind für besonders schwere Lasten ausgelegt. Die RBG leisten 49 Paletten pro Stunde im Einzelspiel und 55 Paletten pro Stunde im Doppelspiel (kombinierte Ein- und Auslagerungen). Auf 10 Ebenen lagern Waren auf Europaletten, Industriepaletten, Kunststoffpaletten, Einwegpaletten mit einer Mindestkufenbreite von 100 mm, Sonderformate und Big Bags. Die Ladeeinheiten sind in der Regel 250 bis 350 kg schwer. Regale und System sind aber auch für Schwerlasteinheiten von 900 bis 1.250 kg ausgelegt. Für diese schwersten Einheiten – z.B. besonders eng und platzsparend verpackte Spaghetti in Kisten – ist die Hochregal-Ebene 5 reserviert.
„Eine besondere Anforderung war, die bestehende Produktion und das neue Hochregallager mit einer bauseitig neu errichteten Fördertechnikbrücke zu verbinden“, sagt Frank Ratert. „Das lösen wir mit einem Querverschiebewagen (QVW) aus eigener Fertigung. Dieser transportiert Ladeeinheiten mit einer Fahrgeschwindigkeit von bis zu 200 Metern pro Minute über 80 Meter zwischen Produktion, Lager und Versand bzw. Werksverkauf. Die Förderbrücke spannt sich zwischen Werk und Lager über die Lkw-Umfahrung des Hochregallagers.“
Auf Produktionsseite werden Ladeeinheiten aufgegeben oder für die Produktionsversorgung abgenommen – noch manuell, künftig durch Fahrerlose Transportsysteme (FTS). Ein Senkrechtförderer mit Rollenbahn transportiert die Ladeeinheiten zwischen Boden und Podest zur Förderbrücke, übergibt oder übernimmt sie dort von dem Querverschiebewagen.
Querverschiebewagen auf Förderbrücke als „Nervenstrang“ des Systems
Mit einer Leistung von ca. 80 Ladeeinheiten pro Stunde hat dieser QVW viele Aufgaben zu bewältigen. Ratert: „Er transportiert Ladeeinheiten aus der Versandzone und Labore ins System, bringt Frischware und Paletten zum Versand, übernimmt die Abnahme und Versorgung des Hochregallagers und versorgt die Produktion mit Rohstoffen.“
Auf Höhe der Förderbrücke werden die Ladeeinheiten vom QVW über Fördertechnik, die auf einer Fördertechnikbühne im Hochregallager verläuft, an die Regalbediengeräte verteilt oder abgenommen. Aber auch der Versand und die Labore für externe Rohware, wie Gluten, sind über einen Tunnel an die Förderbrücke angebunden. Zwei Senkrechtförderer mit Rollenbahn und Rollenketten-Stauförderer versorgen dort den QVW der Förderbrücke oder nehmen ihm die Ladeeinheiten ab. Die Rohware wird bei Anlieferung im Labor geprüft und kann dann – je nachdem, wann sie in der Produktion verwertet wird – direkt zur Produktion transportiert oder im Hochregallager zwischengelagert werden.
Auf QR-Codes ausgelegt
Eine kurze QVW-Strecke und neun Gefällerollenbahnen für je 11 Einheiten stellen die Lkw-Touren bereit. Inklusive dieser Bahnen verfügt das Gesamtsystem über rund 295 Meter Fördertechnikstrecke mit Rollenförderern, Ausrichtung und Zentrierung an den Aufgabestationen, Kontrollen für Maße, Kontur und Kufen. Das System scannt für den internen Transport per Fotoscanner QR-Codes. Darüber lässt sich die Ladeeinheit intern eindeutig zuordnen.
Pünktlich zum 170-jährigen Bestehen können die Spaichinger Nudelmacher nun auf neue Lagerkapazität und -dynamik bauen, um die Welt der Teigwaren – und damit 600 etablierte Nudelsorten – um weitere Sorten zu bereichern.
Mehr Raum und Nachhaltigkeit
„Die Implementierung einer automatischen Hochregalanlage hat unsere Lagerkapazität signifikant erhöht und gleichzeitig Raum für neue Produktionsanlagen geschaffen“, betont Maximilian Seeburger, Assistent der Geschäftsführung. „Das Hochregallager ist ein erster Schritt in Richtung der Modernisierung unserer Versandabläufe. Es bietet uns außerdem viele Möglichkeiten bei der Verbesserung unserer Materialflüsse. Durch die freiwerdende Lagerhalle haben wir die Möglichkeit, unsere Produktion in direkter Nähe zu den bestehenden Anlagen zu erweitern. So sparen wir einiges an peripherem und organisatorischem Aufwand, den wir mit einem ,Werk 2‘ gehabt hätten. Darüber hinaus soll das neue Hochregallager perspektivisch auch als Zentrallager für die ALB-GOLD-Gruppe eingesetzt werden.“
Auch in Sachen Nachhaltigkeit sei das Westfalia-System ein wichtiger Schritt in der Unternehmensentwicklung, so Seeburger: „Das Lagersystem ist mit energieeffizienten Technologien ausgestattet, um den Energieverbrauch zu minimieren. Das Dach des Neubaus wurde bereits mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet. Durch die verbesserte Lagerorganisation und die automatisierten Prozesse verringern wir zudem Abfall und optimieren die Nutzung von Verpackungsmaterialien.“
Das Unternehmen habe sich im Vorfeld des Projektes Westfalia-Lager bei Referenzkunden angeschaut, so Seeburger: „Die positiven Eindrücke haben sich natürlich auf unsere Entscheidung ausgewirkt.“ Sie sei richtig gewesen: „Westfalia hat uns beraten, welche Systeme und Technologien am besten passen. Uns dabei geholfen, eine speziell auf uns zugeschnittene Lösung zu finden und dieses tolle Projekt abzuschließen. Bei Fragen hatten wir stets einen verlässlichen Partner an unserer Seite. Die Zusammenarbeit mit Westfalia Technologies hat gezeigt, dass der Intralogistik-Spezialist ein zuverlässiger Partner mit fundiertem Fachwissen ist. Wir empfehlen ihn definitiv weiter.“