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2017 übernahm die Unternehmensgruppe Tönnies den Standort Badbergen des Unternehmens Artland Fleisch, das seit den 60er-Jahren die Fleisch- und Wurstproduktion in der Niedersächsischen Region Artland geprägt hat. Das international agierende Familienunternehmen Tönnies mit Sitz in Rheda-Wiedenbrück setzte 2019 weltweit rund 7,3 Milliarden Euro vorwiegend mit der Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung und Veredelung von Schweinen, Sauen und Rindern um.

85 Millionen Euro investierte die Gruppe bis 2020 in Badbergen in ein ausgeklügeltes System aus Kühltechnologie, maschinengestützter Zerlegung, Veredelung sowie einen hochautomatisierten Kommissionier- und Versandprozess, um dort ihre gesamte Rinderzerlegung und -Intralogistik zu bündeln. Sanierung und Neubau starteten 2019.

Bestandshalle rückt ins Zentrum der Intralogistik

Rund 500 Mitarbeiter leisten bis zu 5.400 Schlachtungen pro Woche, 95 Prozent des Rindes werden unter der Marke Tönnies Beef zu Rinderhackfleisch, Roastbeef oder Steaks verarbeitet. Wichtiger Baustein ist ein neues automatisches Reifelager, das der ostwestfälische Intralogistik-Spezialist Westfalia klug in einer sanierten Bestandshalle geplant und trotz Corona-Einschränkungen termingerecht innerhalb von 5 Monaten realisiert hat. Seit Juni 2020 wurde das Kühllager befüllt, Produktion, Lagerung und Versand werden nun komplett vom Tönnies-Stammsitz Rheda-Wiedenbrück verlagert.

Mehr als 20 verschiedene Stücke gewinnt der Zerlegebetrieb aus einem Rind und bedient damit sehr verschiedene Vorlieben weltweit: vom mageren Rindfleisch für deutsche Verbraucher über in Skandinavien beliebtes Fleisch mit dicker Fettauflage bis zu in Asien gefragten Innereien. Die verschiedenen Erzeugnisse gelangen verpackt in Kisten per Gabelhubwagen aus der Produktion in das neue, hochmoderne Reifelager von Westfalia.

Kompaktlager mit niedrigem Anfahrmaß

Der Borgholzhausener Spezialist für mehrfachtiefe automatische Lagersysteme, der wie Tönnies 50-jähriges Jubiläum feiert, spielt die Vorteile seiner Technologie für das Reifelager mit 2.500 Stellplätzen für palettierte Kisten voll aus: „Unsere vier Regalbediengeräte haben sehr niedrige Anfahrmaße“, sagt Stephan Bruns, Vertriebsleiter Technologien und Systeme bei Westfalia. „Durch diesen Entwicklungsvorsprung nutzen wir den Raum optimal aus. Die Lagerhöhe der oberen Ebene wird nur im Bereich eines Deckenbinders der Bestandshalle auf etwa einen Meter verringert, ansonsten lagern die Paletten mit Boxen mit jeweils rund 1,8 Metern Höhe pro Ebene bis unter die Hallendecke.“

Die Regalbediengeräte (RBG) bedienen drei Ebenen in acht Blöcken und lagern mehrfachtief bis zu sieben Paletten in einer Reihe. Ein einziges Gerät greift dabei per Satellit® auf die Reihen einer Lagergasse zu. „Durch dieses von uns konzipierte und über Jahrzehnte entwickelte Lastaufnahmemittel ist eine besonders kompakte und energieeffiziente Lagerung möglich“, so Bruns. Der Vertriebsleiter hatte die Halle für das 46 mal 50 Meter umfassende sowie 8 Meter hohe Lager wegen ihrer idealen Lage zwischen Produktion und Kommissionierung gemeinsam mit Tönnies vorgeschlagen – mit Erfolg: „Es gab von Anfang an eine sehr intensive Konzeptionsphase, die sich jetzt auszahlt.“

Lager und Versand automatisiert

„Wir haben den kompletten Lagerungs-, Kommissionier- und Versandprozess durchleuchtet und die Standards von Tönnies auf den neuen Standort übertragen“, erläutert Westfalia-Projektleiter Mathias Spötter. „Die Boxen mit dem verpackten Fleisch werden von einem Gabelhubwagen aus der Produktion bodentief auf den Aufgabehubtisch gesetzt. Sobald der Bereich über eine Sicherheitslichtschranke freigemeldet wird, hebt der Rollenhubtisch die Kunststoff- und Holzpaletten auf das Niveau der Förderanlage.“ Im Anschluss durchlaufen die Paletten eine Konturenkontrolle. Fehlerhaft beladene Paletten werden unmittelbar für eine sofortige Abnahme ausgesondert. Alle konformen Paletten werden in einen Fördertechnik-Loop gefördert, der sie je einer der vier Lagergassen zuführt.

Passgenaue Umschlagleistung durch Satelliten und doppelte Rollenbahn

Hier übernehmen die RBG mit Satellit®. „Unsere vier Geräte lagern mit einer Leistung von 34 Doppelspielen pro Stunde die bis zu einer Tonne schweren Paletten ein und nach einer gewissen Reifezeit bei 0 bis 2° C wieder aus“, erläutert Mathias Spötter.
 

Die Paletten mit gereiften Produkten werden an einen Quertransportwagen mit doppelter Rollenbahn für den Transport von bis zu zwei Paletten übergeben. Er versorgt je nach Auftrag die Kommissionierung und den Versand mit bis zu 100 Ganzpaletten pro Stunde. Und lagert bei Bedarf kommissionierte Paletten, die noch nicht verladen werden, kurzzeitig wieder ein. Alternativ können die Paletten über Rollenbahnen in Richtung Not-Abnahme befördert werden. Sollte der Querverschiebewagen etwa zu Wartungszwecken stillstehen, können auch Gabelhubwagen den Transport von der Notabnahme bis zum Versand übernehmen.

Westfalias eigene Warehouse Execution Software Savanna.NET® steuert und überwacht vollständig sowohl die Lagerverwaltung als auch den Materialfluss dieses hochspezifischen Prozesses. Es vereint als leistungsfähige Automatisierungs-Schaltzentrale die Funktionen eines Warehouse Management Systems und eines Warehouse Control Systems.

Termingerecht trotz Corona-Einschränkung

„Wir standen wegen der Corona-Situation vor einer großen Herausforderung“, betont Projektleiter Mathias Spötter. „Externe Dienstleister für den Regalbau standen plötzlich nicht mehr zur Verfügung. Bei dem enormen Termindruck hatten wir mit der Projektierung im eigenen Haus und eigenen Montagekräften für den Stahlbau sowie eigenen Servicetechnikern für die Installation der Anlagen aber einen überzeugenden Vorteil. Wir konnten das automatische Reifelager trotz des ersten Lockdowns termingerecht abliefern.“ Partnerschaftlich und frühzeitig konzipiert sowie mit zielsicherem, gut vernetztem Projektmanagement ging das Lager pünktlich Ende Juni 2020 in Betrieb – als automatisches Drehkreuz eines der modernsten Rindfleischproduktions- und -logistikzentren weltweit.

Daten und Fakten: Reifelager für Tönnies in Badbergen

  • Generalunternehmer für die komplette Technik des Lagersystem
  • Neubau in einer entkernten Bestandshalle
  • Baujahr: 2020
  • Realisierungszeitraum: 19. Februar bis 30. Juni
  • Lagertyp: Mehrfachtief
  • Lagertemperatur: 0 bis 2 ° C (Kühllager)
  • Lagerabmessungen: 50 x 46 x 8 Meter
  • Regalstellplätze: 2.500
  • Ladehilfsmittel: Palette (Holz und Kunststoff)
  • Regalbediengerät: 4 , Höhe ca. 7 m
  • Lastaufnahmemittel: Satellit®
  • Leistung je RBG (LE/h): 68 (34 Doppelspiele/h)
  • Software: Savanna.NET®